Wir waren mit den Eindrücken und Erinnerungen an griechische oder römische
Tempel nach Ägypten gereist, hatten also schon großartige Bauten wie
zum Beispiel die Akropolis gesehen. Die Tempelstadt von Karnak hat jedoch alles
übertroffen, was wir bisher gesehen und uns vorgestellt hatten. Betrachtet
man Karnak noch in dem Kontext, daß die ersten Anfänge des Amun-Re
Tempel bis ca. 2.000 Jahre v. Christus reichen und ein Großteil der Anlage
quasi in der Steinzeit entstanden ist (den alten Ägyptern war Eisen nahezu
unbekannt), ist der Eindruck noch überwältigender.
Innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahrhunderten ließen die Pharaonen beständig
Erweiterungen an den Heiligtümern vornehmen. Oft veränderten sie die
Bauwerke ihrer Vorgänger, widmeten sie durch ihre Kartuschen um oder zerstörten
sie einfach, um Platz für eigene Bauten zu schaffen. Es galt schließlich,
sich der Gunst des göttlichen Vaters Amun-Re zu versichern. Durch all die
Jahrhunderte hindurch war Karnak das religiöse Zentrum des riesigen Pharaonenreiches.
Und mit den großen zugehörigen Flächen und den teilweise bis zu
80.000 hier arbeitenden Menschen, war es auch ein wahrlich würdiger Mittelpunkt.
Eine erste Vorstellung von der Größe der Anlage bekommt man, wenn man
weiß, daß es in Karnak insgesamt 10 mächtige doppeltürmige
Torbauten gibt, die sogenannten Pylone. Kleinere Tempelanlagen kommen da meist
mit zwei oder drei dieser Pylonen aus. Hier jedoch war es das Bestreben der einzelnen
Pharaonen, den Tempelbezirk beständig zu erweitern und größere
und mächtigere Torbauten zu errichten. Man muß sich diese dann mit
bunt bemalten Reliefs, kunstvoll verzierten Toren und hohen Fahnenmasten mit Standarten
vorstellen - allein dieser Anblick muß wirklich schon den eines Gottes würdig
gewesen sein.
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Karnak
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Tritt man dann nach dem ersten Hof in den Großen Säulensaal, fragt
man sich, warum dieser Tempel nicht auch zu den Weltwundern der Antike gezählt
wurde. Wahrscheinlich liegt es daran, daß damals lediglich die Priester
und der Pharao den Tempelbezirk betreten durften und damit nicht sehr viele Menschen
mit diesem Wunder in Berührung kamen. Auf rund 5.400 Quadratmetern ragen
134 reich dekorierte Säulen bis zu 21m hoch in den Himmel, dorthin, wo früher
noch ein Dach schwebte. Auch heute noch, Tausende Jahre später, kommt man
vor lauter Ehrfurcht automatisch ins Flüstern.
Weiter in östlicher Richtung stößt man auf einen der größten
Obelisken der Welt. Der rund 320 t schwere Monolith der Königin Hatshepsut
ist 29,5 m hoch und war früher noch mit einer goldenen Spitze versehen. Ein
weiterer befindet sich noch in der Nähe des Heiligen Sees, leider jedoch
liegend.
Zeit sollte man auf alle Fälle mitbringen. Die Anlage ist riesig und man
könnte Tage mit dem Herumstöbern verbringen. Abseits der Hauptachse
verlaufen sich die Besucher recht schnell. So hat man genug Muße, sich mit
den Kunstwerken der alten Ägypter auseinanderzusetzen oder vielleicht von
großen Schätzen zu träumen, die womöglich noch unter dem
scherbenübersäten Boden schlummern.
© 11.11.2003
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