Der Nil - Lebensader Ägyptens und seit Urzeiten eine Einheit mit den hier
lebenden Menschen. Tief im Inneren des dunklen Kontinents speisen ihn seine beiden
Quellflüsse Rukaraya und Mwogo. Er bahnt sich als Weißer Nil seinen
Weg aus dem Herzen Afrikas um sich bei Karthum im Sudan mit dem Blauen Nil zu
vereinen und um dann nach insgesamt 6.671 km in einem gewaltigen Delta im Mittelmeer
zu münden. Damit ist er der längste Strom unserer Erde.
Seine Breite schwankt zwischen 500 und 900 m, wobei diese aufgrund der schon sprichwörtlichen
periodischen Nilüberschwemmungen öfters auch auf ein vielfaches anwachsen
kann. Mit dem Hochwasser kommt dann fruchtbarer Schlamm aus den Bergen Afrikas,
Grundlage für die Landwirtschaft und damit die Ernährung des Landes.
Im Verlauf der Jahrtausende hat sich eine 10 - 12 m dicke fruchtbare Erdschicht
an beiden Ufern abgelagert.
Hochwasser, Aussaat, Ernte und Trockenzeit haben seit Alters her den Lebensrhythmus
am Nil bestimmt. Das Eintreffen der jährlichen Flutwelle war ein bedeutender
Zeitpunkt im Leben der alten Ägypter. Immer wieder stößt man auf
alte Inschriften und Nilpegel, die diese enge Verbindung mit dem Fluß und
Abhängigkeit von ihm dokumentieren. War doch das rechtzeitige Eintreffen
des Nilhochwassers lebensnotwendig für das gesamt Volk. Nur in der noch feuchten
und reichen Erde konnten die jungen Sprossen und Pflanzen wachsen und gedeihen.
Nach vier Monaten wurde die Ernte eingefahren und auf den Feldern kehrte bis zur
nächsten Überschwemmung Ruhe ein.
Freilich hat sich in dieser Hinsicht mit der Errichtung des Assuan - Staudammes
einiges geändert. Durch ihn können Flutkatastrophen oder Dürreperioden
ausgeglichen werden. Die landwirtschaftliche Nutzfläche hat sich durch das
Entstehen des 510 km langen Nasser Sees vergrößert und Dank des Staudammes
verfügen die Ägypter auch über genug elektrischen Strom. Das kühne
Projekt hat aber auch einige Nachteile. Durch das Ausbleiben der jährlichen
Überschwemmungen wird auch keine nährstoffreiche Erde mehr abgelagert.
Die Bauern versuchen diesen Mangel mit künstlichen Dünger auszugleichen.
Gleichzeitig nimmt die Erosion zu und die Wüste ist auf dem Vormarsch. Die
zunehmende Versalzung greift die alten Bauwerke an. Und, und ... Ferner bleibt
abzuwarten, inwieweit sich die ehrgeizigen Pläne der Ägypter zu Bewässerung
des Oasengürtels verwirklichen lassen. Momentan werden riesige betonierte
Kanäle durch die Sahara gezogen, die des lebensspendende Naß vom Nasser
See heranführen sollen.
Für uns war die Fahrt an Bord der MS Sovereign wie eine Reise in einer Zeitmaschine.
Entlang der Strecke zwischen Luxor nach Assuan (über Esna, Edfu und Kom Ombo)
gab es eine Reihe sehr schöner Tempel und Grabmäler der alten Ägypter
zu sehen. Gleichzeitig schien sich auch das Leben beiderseits des Flusses in all
den Tausenden Jahren nicht grundlegend gewandelt zu haben. Man mochte teilweise
fast glauben, daß die Lehmhütten seit der Zeit der Pharaonen bewohnt
und die Felder seit Generationen von ein und der selben Familie mit den gleichen
Gerätschaften bebaut wurden. Wenn die wunderschöne Landschaft und die
Siedlungen an einem vorbeizogen, dann war es fast wie ein Film - beeindruckend
aber für uns als Beobachter auch irgendwie nicht wirklich faßbar.
Zudem ist uns klar geworden, wie zerbrechlich das Gleichgewicht zwischen Mensch
und Natur am Nil ist. Teilweise reicht die Wüste bis an den Fluß heran,
dann sind es wieder hunderte Meter fruchtbarer Felder bis zur alles vernichtenden
Sahara. Aber immer ist die lebensfeindliche Wüste allgegenwärtig, so
als ob die Natur den Menschen vor allzu großen Hochmut warnen möchte.